Guten Tag Karpathos-Freunde,
wir sind wieder zurück von der Insel. Vorzeitig. Urlaubsabbruch!
Nach 12 Jahren wieder einmal nach Karpathos. Mit unseren Freunden. Nennen wir sie Mike und Anna. Die waren zuvor noch nie in Griechenland. Was hatten wir ihnen versprochen? „Nach den drei Wochen werdet ihr sagen, dass die Zeit für Karpathos viel zu kurz war“.
Und dann dies. Wir sind froh, dass wir wieder zu Hause sind. Hab ich noch nie nach einem Urlaub gesagt. Mike und Anna sind jetzt vielleicht immer noch da. Und zwar höchst unfreiwillig! Oder doch schon auf dem Weg nach Hause.
Ihr wollt wissen warum? Na gut. Ihr seid ja scharf auf Erlebnisberichte. Sollt ihr haben.
Irgendwie hatte ich mir kurz vor Urlaubsantritt Probleme mit meinem linken Knie eingehandelt. Keine Ahnung, wie, aber sie waren da. Na ja, dachte ich, drei oder vier Tage Ruhe, dann ist das vorbei. Wir hatten ja einige Wanderungen eingeplant.
Dienstag, 25.5.2010: Von Düsseldorf nach Karpathos. Das lange Sitzen bekommt meinem Knie gar nicht. Auch der zwar kurze, aber steile Ab- und Aufstieg zum Sunset Hotel in Lefkos ist übel. Aber was soll’s. Ab morgen wird‘s sicher besser.
Mittwoch: Einkaufen im Ort. Vollbepackt wieder hoch zum Hotel. Das fühlt sich gar nicht gut an; im Knie. Dann zum Strand. Schwimmen+Schnorcheln geht prima. Heute noch zweimal der Ab- und Aufstieg. Der medizinische Rat tritt zusammen. Die Diagnose wird nach längeren Beratungen gestellt: Entzündung im Knie. Empfohlene Behandlung: Eis-Packs. Ab sofort wird Eis in rauhen Mengen produziert. Im dafür vorgesehenen Behälter aus dem Kühlfach und in leeren Joghurtbechern. Außerdem gibt Annas Reiseapotheke zwei Voltaren her. Die soll ich mir morgen und übermorgen reinschieben. Ich, der Tabletten-Fan. Aber wenn’s hilft.
Donnerstag: Zum Stand, in die Felsen. Ich ramme mit meinen Zehen ganz heftig einen Felsen. Ich kann mal das Ergebnis zeigen:
Blau ist doch eine schöne Farbe, oder? Die Zehen passen in keine Wanderschuhe mehr. Die (erste) Katastrophe ist da: Aus mit Wandern; wenigstens kurzfristig. Schnorcheln. Das geht und macht Spaß. Gemeinsam mit Mike. Mike und Anna toben im Wasser. Mike taucht. Es knallt im Ohr. Das schmerzt. Zweite Katastrophe: Aus mit Schnorcheln; wenigstens kurzfristig. Also Mike kann laufen, ich nicht. Ich kann schnorcheln, Mike nicht. Echt übel. Na gut, dann mieten wir eben morgen ein Auto, fahren auch nach Pigadia und schaun mal, was es in der Apotheke so alles gibt.
Freitag: Auto gemietet. Pigadia: Rein in die Apotheke. Es gibt tatsächlich was für die Ohren. Nee, nicht auf die Ohren, sondern für die Ohren. Und noch eine Zehnerpackung Voltaren für Walter. Lecker. Schöner kleiner pharmazeutischer Einkaufbummel. Gegen Abend spüre ich schon bei Betätigung der Kupplung mein Knie. Das hatte ich mir so nicht vorgestellt.
Samstag: Ruhetag. Strand. Ohne Belastung geht’s dem Knie gut. Beim Ab- und Aufstieg spüre ich es.
Sonntag: Noch ein Ruhetag. Um das Knie zu schonen. Das geht mir ganz schön auf den Keks. Mike und Ana kommen vom Strand. Mike „hat Rücken“. Und damit beginnt die richtige Katastrophe. Da verblassen meine Knieprobleme völlig. Solche Rückenprobleme befallen Mike von Zeit zu Zeit. Wenn es wieder eine Blockade des Illio-Sakral-Gelenks (so sprach Mike das wenigstens aus) ist, dann wären eigentlich eine Serie von Spritzen und eine Physiotherapie notwendig. Die haben wir hier nicht. Erneut tritt der medizinische Rat zusammen. Eisbehandlung ist wichtig.
Montag: Mike geht’s gar nicht gut. Da wir gestern abend schon ein Auto für die nächsten Tage übernommen haben, geht’s ab nach Pigadia. Aber welchen Arzt sollen wir aufsuchen? Am Besten erst mal ins dortige Krankenhaus. Später hab ich gehört, dass diese Einrichtung „Gesundheitszentrum“ heißt und nicht Krankenhaus. Und einen Vergleich mit einem deutschen Krankenhaus möchte ich auch gar nicht anstellen, obwohl ich nur wenig gesehen habe. Auf unsere Anfrage hin werden wir an einen ziemlich unfreundlich drein blickenden Herrn verwiesen. Dunkler Anzug, Leichenbittermiene. „Ist das derTotengräber?“ fragt Anna leise. Nein, das scheint der Arzt zu sein. Mike schildert auf englisch seine Beschwerden. Und lässt das „Illio-Sakral-Gelenk“ einfliessen. Auf irgendeinem Zettel werden schnell Vor- und Nachname von Mike notiert. Auf einen weiteren Zettel schreibt unser Arzt irgendetwas auf, drückt ihm beide Zettel in die Hand und murmelt kurz: „X-Ray“. OK, die Röntgen-Station ist direkt gegenüber. Deren Personal kommt soeben aus einer kurzen Pause zurück, sodass es bald weitergeht; das ginge bei uns kaum so schnell. Dann wird geröntgt. Aber hier ohne Bleischürze um des Mannes wichtigsten Teile. Mike: Na ja, was solls, Kinder gibt’s eh keine mehr. Wieder zum Arzt. Der murmelt: „It’s the same“. Damit meint er wohl, dass Mikes Diagnose stimmt. Zack zack, gibt’s eine Spritze in den Rücken und ein Rezept für weitere. Die Röntgenbilder werden ausgehändigt. Komisch, eine Bezahlung will hier keiner haben; auch auf Nachfrage nicht. Welche Regeln gelten hier eigentlich? Wir wissen es nicht. Irgendwas haben wir jetzt bestimmt falsch gemacht. Wir verlassen das Gesundheitszentrum. Dabei werfe ich zufällig einen Blick in einen Raum mit offener Tür, in dem soeben ein Patient behandelt wird. Bei offener Tür? Nein, kein Patient, neben der Tür steht ein Sargdeckel. Mir läuft ein Schauder über den Rücken, nichts wie raus. Wieder in die Apotheke. Man begrüßt uns wie alte Bekannte; sind wir ja auch schon fast. Die verschriebenen Spritzen tauscht Mike gegen Tabletten mit dem gleichen Wirkstoff ein. Denn wer sollte ihn spritzen? Nach einem kurzen Bummel durch Pigadia geht’s auf direktem Weg zurück nach Lefkos. Denn das Sitzen im Auto ist für Mike schmerzhaft. Vor allem das Kurven-Fahren, auch wenn es vorsichtig erfolgt. Und Kurven gibt’s ja genug auf Karpathos. Nun haben wir Gleichstand erreicht: Ich kann keine längeren oder unebenen Strecken laufen, Mike auch nicht. Es kann ja nur besser werden. Meinten wir. Es wurde schlimmer.
Dienstag: Keine wesentlichen Änderungen bezüglich der Beschwerden.
Mittwoch: Heute ist Schluß in Lefkos; das war auch so geplant. Wir ziehen um nach Kyra Panagia. Bis Samstag. Das hatten wir schon am vergangenen Freitag festgemacht. Eigentlich soll es danach nach Diafani gehen. Aber dazu müssen wir erst mal unsere weitere Entwicklung abwarten. Denn nach Diafani und Olympos, ohne dort wandern zu können, das bringt nichts. Die Fahrt von Lefkos nach Kyra Panagia ist gar nichts für Mike. In Aperi machen wir einen Zwischenstop. Damit er dort etwas laufen kann. Laufen (kurze Strecken) und Stehen ist besser als Sitzen. Liegen ist auch gut.
Donnerstag, Freitag: Es wird nicht besser, es wird eher schlimmer. Mit Mike. Zum Nachmittag/Abend hin dann immer wieder eine kleine Besserung. Meine Knie gibt’s auch noch, aber die kann man getrost ignorieren. Die Frauen meinen, dass es angebracht wäre, in künftigen Urlauben sofort entsprechendes Pflegepersonal mitzunehmen. Wir Männer sprechen uns dafür aus, zwei junge, hübsche Pflegerinnen zu ordern. Woraufhin prompt die Frage kam: Was wollt ihr in eurem Zustand denn mit denen anfangen? Wir haben in keiner Phase unseren Humor verloren, auch wenn der immer schwärzer wurde.
Samstag: Mike kommt nach dem Frühstück kaum aus dem Stuhl hoch. Und kann sich nur mit kurzen Schritten voran bewegen. Das reicht jetzt. Das kann nicht noch 8 Tage so weitergehen. Und sich weiter verschlechtern. Ich schlage vor, den Urlaub zu beenden und am Dienstag heim zu fliegen. Nach einer sachlichen Diskussion muss er einsehen, dass es keinen Sinn macht, die Zähne zusammenzubeißen und einfach weiter zu machen. Schließlich ist auch meine Beweglichkeit äußerst eingeschränkt. Es macht keinen Spaß mehr. Niemandem. Wir buchen die Flüge um. Wohin nun? Wir entscheiden uns für Amopi. Dieser Standort hat folgende Vorteile: Nahe am Flughafen, nahe bei Pigadia (wg. Arzt und Apotheke) und auf kleinem Raum alle Möglichkeiten, die Tage bis zum Abflug zu überbrücken. Rein ins Auto. Über Pigadia (Geldbeutel nachfüllen, Bewegungsmöglichkeit für Mike) nach Amopi. Nach Sichtung verschiedener Möglichkeiten nisten wir uns ganz zentral im Helios Hotel ein. Das war genau die richtige Entscheidung. Denn hier arbeitet Anastasia an der Rezeption. Über das Hotel und seine Taverne will ich mich hier noch nicht äußern. Das folgt später. Vorweg: Ohne Anastasia wäre das, was noch folgt, deutlich komplizierter geworden. Einiges wäre wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen. Vielen, vielen Dank, Anastasia. Anastasia spricht fließend deutsch! Angekommen im Helios schält sich auch Mike wieder langsam und ganz vorsichtig aus dem Auto. Das tut schon weh beim Hinschaun. Bei der Unterhaltung mit Anastasia fällt auch der Begriff „Physiotherapie“. Anastasia: „Wir haben hier einen Physiotherapeuten auf Karpathos.“ Her mit dem Physiotherapeuten; vielleicht kann der etwas ausrichten. Sie kennt jemanden, der dessen Kontaktdaten kennt. Anastasia beschafft die Rufnummer, telefoniert mit ihm. Ergebnis: Er kommt heute Nachmittag. Was hat Anastasia in den nächsten Tagen nicht noch alles erledigt: Auskünfte einholen, Mehrfaches Telefonieren mit Apotheken, mit dem Physiotherapeuten, Dolmetschen bei einem Arztbesuch im Helios, Organisation von Taxen, Nachfragen beim Arzt wegen Medikamentenwechsel, gute Ratschläge erteilen. Klasse. Das ging weit über das hinaus, was man an Hilfsbereitschaft von einem Hotel oder einer Person erwarten darf. Noch mal: Danke Anastasia. Nachmittags kommt also der Physiotherapeut. Nach umfänglichen Untersuchungen äußert er den Verdacht, dass ein Bandscheibenvorfall vorliegt. Er will am nächsten Tag wieder kommen, um eine diesbezügliche Behandlung einzuleiten. Für den Rückflug empfiehlt er eine liegende Haltung; wie soll das gehen?
Sonntag: Die Betten sind gut. Liegen war gut für Mike. Aber ohne Dauerwirkung. Das Aufstehen fällt äußerst schwer. Zum Frühstück kommt er nur mit Schritten, die eine Fußlänge nicht überschreiten. Anna muss ihn stützen. Unterwegs immer wieder ein Stop und Erholen. Die wenigen Stufen, die es zu überwinden gilt, sind arge Hindernisse. Am Frühstückstisch: Hinsetzen geht nicht. Also bleibt er an einer Mauer stehen. Versucht sich abzustützen. Das wird nichts, die Arme fangen an zu zittern. Also zurück aufs Zimmer, aufs Bett. Das dauert natürlich genau so lange wie der Hinweg. Später, als er sich etwas erholt hat, nimmt er sein Frühstück im Stehen ein. An der Terassen-Mauer, die ist wie für ihn gemacht. Dann Mikes Entscheidung: Den Physiotherapeuten lasse ich lieber doch nicht an mich ran. Er glaubt nicht an einen Bandscheibenvorfall. Was ist, wenn es sich nicht um einen Bandscheibenvorfall handelt, sondern um die von ihm vermutete Blockade des Illio-Sakral-Gelenks? Kann dann die Behandlung sogar Schaden anrichten? Das ist ihm zu riskant. Wir bitten Anastasia, den Termin abzusagen. Aber wie soll Mike denn den dreistündigen Rückflug am kommenden Dienstag überstehen? Von Düsseldorf sollte es zuerst für eine Übernachtung zu uns gehen; das ist eine Autofahrt von ca. einer Stunde. Viel zu lang. Und am nächsten Tag eigentlich mit dem Zug weiter nach Süddeutschland. Wie soll das gehen? Nun, ich glaube, da gibt’s noch einen Joker in meinem Ärmel. Über meine ADAC-Mitgliedschaft besteht im äußersten Notfall die Möglichkeit, aus dem Ausland zurückgeholt zu werden. Mike besitzt übrigens die gleiche Mitgliedschaft. Also mal anfragen, was der ADAC für Möglichkeiten sieht. Es muss ja nicht gleich eine Rückholung im ADAC-Jet sein; aber dort gibt es doch sicher Personen, die mit unserer aktuellen Situation Erfahrungen haben. Ich rufe also die ADAC-Notrufnummer an. Schildere die Situation und bekomme sehr schnell eine Bearbeitungsnummer. Dann ruft die ADAC-Niederlassung aus Athen an; sie übernimmt die weitere Koordination. Stellt Fragen. Die Verbindungsärztin will Kontakt mit dem Gesundheitszentrum aufnehmen und mit dem Physiotherapeuten. Wenn weitere Informationen vorliegen, wird man sich melden. Das macht einen guten Eindruck. Hier wird wohl etwas in die Wege geleitet. Das macht Hoffnung. Ich möchte nicht die Kontakte im Einzelnen schildern; ich kann mich auch gar nicht mehr daran erinnern, wann welches Telefonat geführt wurde und wer wann was gesagt hat. Also beschränke ich mich im Folgenden auf das Wesentliche. Mike ist das eher peinlich. Der ganze Rummel. Um ihn. Und was das für ein Geld kostet. Das muss doch so nicht sein, oder? Doch, das muss jetzt so sein. Zum Nachmittag hin geht’s ihm wieder etwas besser, so dass er abends sogar bis zur Taverne laufen (besser: schleichen) kann. Und dort gibt’s erst mal eine, aber nur eine einzige (!), dafür große Ouzo-Infusion.
Montag: Heute Morgen ist es nicht ganz so schlimm wie gestern. Mike ist schon wieder übermütig: „Die sollen jetzt kein Theater machen, ich will morgen nach Hause fliegen.“ Unvernunft komm raus. Vor Mittag ruft der ADAC an: Das Gesundheitszentrum ist wenig kooperativ, von dort gibt’s keine verwertbaren Auskünfte; der Physiotherapeut empfiehlt dringend einen liegenden Transport. Dies muss jedoch von einem Arzt bestätigt werden. Man hat einen Arzt auf Karpathos kontaktiert, der gegen 13:30 Uhr kommen wird. Ein Liegend-Transport könnte dadurch erfolgen, dass in einem der abgehenden Flieger ein Stretch-Bett über ca. 6 Sitzplätze hinweg eingebaut wird. Wir weisen darauf hin, dass morgen sowieso air berlin nach Deutschland fliegt. Das macht Hoffnung. Wir weisen außerdem daraufhin, dass der Arzt doch wegen der ständigen Schmerzen ein starkes Schmerzmittel mitbringen soll, auch für die Zeit bis zum Flug. Der Arzt kommt. Und diagnostiziert einen eingeklemmten Nerv. Und noch einmal: Ohne Anastasias Dolmetscherarbeit wäre die Unterhaltung wohl äußerst schwierig geworden. So, jetzt haben wir drei verschiedene Diagnosen. Und der Arzt hat keine Schmerzmittel dabei. Oder hat Mike doch eine Spritze bekommen? Ich weiß es im Moment nicht mehr. Aber Medikamente für die kommende Zeit hat er nicht dabei. Andererseits sagt er, dass mit entsprechend starken Schmerzmitteln der Flug zu überstehen sein sollte. Es ist die Rede von morphinhaltigen Schmerzmitteln. Er verschreibt solche. Sagt er. Das macht Hoffnung. Morgen geht‘s nach Hause. Irgendwie. Andererseits sind das Spritzen. Wer soll denn die geben? Nun, der Arzt meint, Anna könne das tun. Er markiert noch die Stelle, an welcher der „Einschuss“ erfolgen soll. Und weg ist er. Hm.
Nun also ab in die Apotheke. Aber Stop: Heute ist Montag und die Apotheken haben geschlossen. Da gibt’s jedoch noch eine Notfall-Apotheke. Die hat zwar jetzt Mittagspause, macht aber um 17:30 wieder auf. Anna fährt per Taxi nach Pigadia; Mike geht’s relativ gut. Schmerzen hin und Schmerzen her, er will mal raus. Also fährt er mit. Ist ja nicht weit. Hat noch den Vorteil, dass in der Apotheke sicher jemand ist, der die erste Spritze setzen kann. In der Apotheke: Das verschriebene Zeugs gibt’s bei ihnen nicht! Ganz toll. Also retour. Und jetzt? Am besten morgen früh mal alle Apotheken abtelefonieren, welche dies Medikament im Bestand hat. Kam schon heute Abend die Information, dass morgen keine Stretch-Bett-Möglichkeit eingerichtet werden kann? Ich weiß es nicht mehr. Zwischenzeitlich telefonieren Mike und Anna mit einer ihrer Töchter. Die ist spritzen-erfahren. Anna lässt sich einweisen. Soll problemlos sein. Na ja. Mike schauspielert den Ängstlichen.
Dienstag: Anastasia telefoniert hinter dem Medikament her. Das gibt’s scheinbar auf der ganzen Insel nicht. War das so? Muss so gewesen sein. Dann ein Telefonat mit dem Arzt. Der verschreibt ein anderes Medikament. In Zäpfchen-Form. Telefonisch. So einfach geht das. Jetzt zur Vorsicht noch eine Apotheke anrufen, ob die dies Medikament vorrätig haben. Anastasia telefoniert. Man hat das Medikament! Taxi nach Pigadia. Mike kann/will diesmal nicht mit; ich begleite Anna. Für alle Fälle. Zu zweit ist es besser. Prima: Medikament gekauft, Geld geholt, Rückfahrt. Wir sind noch nicht ganz aus Pigadia raus, da öffnet Anna die Medikamentenschachtel. Sie enthält Tabletten! Das sollten doch Zäpfchen sein; die sind i. d. R. wirkungsvoller. Was passiert hier eigentlich mit uns? Umgekehrt, Medikament getauscht, zurück ins Hotel. Mike nimmt sofort so einen Zapfen. Eigentlich sollte die Wirkung sehr schnell eintreten. Als nach ca. 2 Stunden immer noch keine Wirkung festzustellen ist, liest sich Mike mal die Packungsbeilage durch. Ist zwar weitgehend griechisch, aber die Zusammensetzung ist erkennbar. Und was ist da drin? Paracetamol !!!!! So viel zu dem starken Schmerzmittel. Das ist ein ganz schlechter Witz. Langsam geht uns jetzt der Humor flöten. Gegen Mittag steht fest, dass es heute keinen ADAC-organisierten Rückflug für Anna und Mike geben wird. Mike ist sauer: „Dann werde ich auf eigenes Risiko mit air berlin zurückfliegen.“ ADAC-Telefon-Partner: „Es kann Ihnen aber passieren, dass die Fluggesellschaft Ihre Flugtauglichkeit in Frage stellt und Sie nicht mitnimmt. Wir finden für Sie sicher ein Lösung.“ Die Chance ist groß, dass man erkennen wird, dass er eigentlich nicht flugtauglich ist. Deshalb verlässt sich Mike auf die in Aussicht gestellte Lösung. Da es für uns, Heike und Walter, in einem Krankentransport sicher keine Möglichkeit zum Mitfliegen geben wird, reisen wir abends ab. Mit ganz schlechtem Gewissen. Mike und Anna können ihr Zimmer im Helios weiter nutzen. Es war zwar schon für andere Gäste vorgesehen, aber das Hotel bzw. Anastasia hat es möglich gemacht. Na ja, so lange kann es ja jetzt nicht mehr dauern, bis Anna und Mike auch nach Hause kommen.
Mittwoch, Donnerstag, Freitag: Immer wieder hatten wir Kontakt zu Mike und Anna. Heute kein Flug. Morgen? Kann man nicht sagen. Mike geht’s mal besser, mal schlechter.
Samstag: Um kurz nach 21:00 Uhr Telefonat mit Mike. In den drei Stunden zuvor hatte es reichlich Diskussionen mit dem ADAC gegeben. Diese in Kürze. Erste Info: Morgen kommt ein ADAC-Jet zwecks Rücktransport. Zweite Info: Und um Ihre Frau werden wir uns dann auch kümmern. Was heisst das, um meine Frau werden Sie sich auch kümmern? Die fliegt doch mit, oder? Nein, das geht auf gar keinen Fall. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Doch, das ist ein Krankenrücktransport und es besteht keine Möglichkeit, andere Passagiere mitzunehmen. Jetzt reichts mir, Ihr könnt den Rücktransport streichen, morgen besorg ich mir ne Morphium-Spritze, setz mich ab nach Rhodos und werd von da aus mit einem Linienflug nach Hause kommen; mit meiner Frau. Nach langem Hin und Her wird doch eine Möglichkeit geboten, Anna mit nach Hause zu nehmen. Also soll am Sonntag gegen 14:00 Uhr der Flieger in Karpathos abheben. Zuvor muss Mike jedoch liegend zum Flieger gebracht werden. Mike: Was soll das denn? Die paar Kilometer schaff ich das doch auch in einem Taxi. Nein, dafür gibt’s Vorschriften. Oh, wir Deutschen! Aber wahrscheinlich muss darauf geachtet werden, dass haftungsrechtliche Formalien eingehalten werden. Und was das dann für Blüten treibt. Denn das Gesundheitszentrum in Karpathos stellt, aus welchen Gründen auch immer, seinen Krankenwagen nicht zur Verfügung. Also kommt am Sonntag mit der Fähre ein Krankenwagen von Rhodos nach Karpathos, transportiert Mike die ca. 10 km von Amopi zum Flughafen und fährt mit der nächsten Fähre zurück. Mike versucht noch einmal, gegen diesen Irrsinn Einspruch zu erheben: Ich sag Ihnen, ein Taxi-Transport reicht; ich muss und kann doch hier auch rumlaufen. Nützt nichts, so wird es erfolgen. Das ist unnütze Geldvernichtung. Muss aber wohl so sein. Ich geh mal davon aus, dass der ADAC sich absichern muss; sobald er die Verantwortung übernimmt, muss er dafür sorgen, dass nichts, aber auch gar nichts mehr schief läuft. Tja, Mike ist das mittlerweile nicht mehr nur peinlich, sondern höchst unangenehm. Seiner Meinung nach hätte man eine pragmatischere, kostengünstigere Lösung finden sollen. Etwa so: Morphium-Spritze rein, rein in den Flieger, in Deutschland dann gerne ab im Krankenwagen in ein Heimat-Krankenhaus. Aber die Entscheidung muss man tatsächlich dem ADAC überlassen; die haben schließlich ihre Erfahrungen.
Sonntag: Während ich diese letzten Zeilen schreibe, schaue ich auf die Uhr. Wir haben 14:00 Uhr. Liegt er schon im Flieger? Ob Mike und Anna jemals mit uns nach Karpathos zurückkehren werden? Ich wage das mal zu bezweifeln. Und könnte das verstehn.
Wird unser nächster Urlaub in Bad Wildungen (z. B.) sein? Dort hat man den Arzt direkt vor der Tür. Das müssen wir bei der nächsten Urlaubsplanung einfach mal mit diskutieren. Oder nicht?
Nun, wie hat euch mein Bericht gefallen? Ist sicher nicht so ausgefallen, wie ihr ihn erwartet habt, was? Auf so einen Katastrophen-Urlaub waren wir gar nicht eingestellt. Aber, man kann es nicht leugnen, es war mal wieder ein Erlebnis-Urlaub. Und was sagte Anna: Stellt euch mal vor, wir kämen nach Hause und hätten nichts zu erzählen? Immer nur: Hotel war gut, Strand war gut, Wetter war gut, Essen war gut. Wie öde.
In einer Fortsetzung will ich dann über völlig nebensächliche Aspekte berichten: Wie hat uns die Insel nach 12 Jahren gefallen? Hat sich viel verändert? Positiv/negativ? Wie waren die Unterkünfte? Und: Gefällt uns die Insel noch? Aber der Bericht kommt etwas später.
Viele Grüße
Walter